Gewaltfreie Kommunikation

Gewaltfreie Kommunikation ist nicht nur ein Modell, sondern ein komplexes Handlungskonzept.

Ziel der GFK ist es und die dahinter liegende Vision für uns Menschen: dass wir uns alle gehört und respektiert fühlen, dass wir Lösungen finden, die uns erfüllen und die uns nicht untereinander schaden. Dahinter steht die Überzeugung, dass für alle genug da ist. Mission ist es mit der Gewaltfreien Kommunikation eine friedlichere Welt zu schaffen.

Es ist ein von Marshall Rosenberg entwickelter Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess, der viel Übung bedarf, denn es geht nicht nur darum seine Sprache und Kommunikation zu ändern, sondern seine Haltung. Eindrucksvoll kannst du dir in Videos z.B. auf Youtube von Marshall Rosenberg seine gelebte Gewaltfreie Kommunikation ansehen. Es gibt deutschlandweit (und weltweit) Ausbildungsstätten, Weiterbildungszentren und Fortbildungen in Gewaltfreier Kommunikation. Gewaltfreie Kommunikation ist ebenso Grundlage in Coaching Ausbildungen, Mediationsausbildungen und im Studium. So lernte ich Gewaltfreie Kommunikation in meinem Studium der Sozialen Arbeit tiefer verstehen. Hier in diesem Artikel möchte ich ein Grundverständnis von Gewaltfreier Kommunikation vorstellen. Wenn du weitere Informationen möchtest, empfehle ich dir das Buch von Marshall B. Rosenberg mit dem Titel "Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens" von 1999.

Zusammenfassung


Was ist Gewaltfreie Kommunikation (abgekürzt GFK)?

Gewaltfreie Kommunikation, kurz GFK, ist ein von Marshall B. Rosenberg entwickelter Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess. Er schafft uns Menschen wieder die Möglichkeit, offen aufeinander zuzugehen und in eine einfühlsame Verbindung zu gehen. Ausgangspunkt dieser Theorie ist, dass wir Menschen alles tun, um eines unserer eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.

Gewaltfreie Kommunikation stellt sich die Frage, welches Bedürfnis steckt hinter z.B. einer Strategie, die wir Menschen anwenden, um einen z.B. Konflikt zu lösen. Da wir alle Individuen sind, sind auch unsere Strategien individuell und verschieden. Die Gewaltfreie Kommunikation setzt damit schon vor dem Konflikt und dem Konfliktauslöser an, sie schaut auf das Individuum und seine ganz individuellen Bedürfnisse. So unterschiedlich unsere Bedürfnisse in der jeweiligen Situation sind, so gibt es laut GFK Bedürfnisse, die uns wieder alle miteinander vereinen und als Menschen ausmachen.

Diese Bedürfnisse zu artikulieren haben wir jedoch im Laufe z.B. durch unser Bildungssystem verlernt und sie liegen verborgen hinter Strategien, die wir im Laufe unseres Lebens erlernen, z.B. durch bestimmte Situationen, eine Kultur, eine Religion oder einen anderen relevanten Kontext wie z.B. unsere Politik und unsere Bildung.

Das Bewusstmachen dieser prägenden Strategien und das Wiederzurückkehren zu unseren wirklichen Bedürfnissen ist Teil von Gewaltfreier Kommunikation (GFK). Wir als Individuen und auch wir als Teil von Teams und Gruppe können uns dieser Strategien bewusst werden. Wir müssen, nach Rosenberg, wieder Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse schaffen, um in Kontakt zu bleiben und auch wieder zu kommen. Die Sprache, die orientiert ist an unseren Bedürfnissen und damit auch unseren Gefühlen, führt uns wieder zueinander, lässt Begegnungen wieder zu, wo vorher keine Möglichkeit bestand, wie z.B. in einem Konflikt.

Noch deutlicher gesagt ist die Sprache der GFK allein orientiert an unseren wirklichen Interessen füreinander. Es gibt keine Bestrafung in dieser Art der Kommunikation, es gibt keine Gewalt und Schuld, keine Scham, es gibt nur, wie Rosenberg sagt "natural giving".

Eindrucksvoll präsentiert Marshall B. Rosenberg in einigen Videos, wie er GFK versteht und praktiziert. Er verhandelte mit Menschen des Nahost Konflikts, baute dort Ausbildungsstätten, um Konflikte mit Hilfe von GFK aufzulösen, ebenso beriet er Eltern und Organisationen - er arbeitet bis heute als Mediator und Dozent, hält Vorträge und schreibt Fachliteratur.

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Für mich sind seine Videos, in denen er Fragen aus dem Publikum beantwortet und GFK sofort anwendet, sowie Geschichten aus seinem Berufsalltag teilt, so eindrucksvoll, dass mir manchmal sogar die Tränen kommen, wenn er über seine Arbeit z.B. im Nahost Konflikt spricht. Bei Marshall Rosenberg erscheint es so einfach, vielen Konflikten vorzubeugen oder sie zu 'befrieden', wenn wir allein auf unsere Bedürfnisse achten und diese formulieren und unser Gegenüber offen ist, zuzuhören und ebenso seine Bedürfnisse mit uns teilt.

Um seine Erkenntnisse deutlicher und greifbarer zu machen, erfand Marshall Rosenberg zwei Handpuppen, die seine Erklärungen zur Gewaltfreien Kommunikation verdeutlichen. Es gibt den Wolf und die Giraffe (manchmal nutzt er auch noch weitere Figuren, wie z.B. einen Fuchs, doch möchte ich hier diese zwei Wesentlichen besprechen).

Der Wolf 🐺 steht für die Sprache, die wir in Systemen gelernt haben, die Sprache, die gewaltvoll ist. Sie ist gewaltvoll zu uns selbst und auch zu anderen Menschen. Laut Marshall Rosenberg haben wir gelernt, Gewalt in unserer Alltagssprache zu verherrlichen. Wolfsprache ist für ihn auch die moralische Erziehung, die wir genießen, wie z.B. der Ausspruch (zumeist von Eltern zu ihren Kindern) "Sag, dass es dir leid tut!". Im Kontext unseres beruflichen Lebens nennt er die Amtssprache, die er vor allem in Deutschland in Auseinandersetzung mit der NS-Zeit kennen gelernt hat, eine "gefährliche Sprache", denn sie löst die Verantwortung des Einzelnen von seinem Handeln ab und macht die Strukturen dazu, verantwortlich zu sein für das Tun. Das heißt übersetzt, dass wir als Personen nicht mehr verantwortlich sind und daher nichts aktiv verändern können. Das steht konträr zu der Lehre der Gewaltfreien Kommunikation.

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Marshall Rosenberg versteht Gewaltfreie Kommunikation nicht nur in Bezug auf unsere Kommunikation mit anderen Menschen, sondern auch in Bezug auf das Sprechen mit uns selbst. Und das heißt jetzt nicht Bauchrednern 😉, sondern, wie wir unser eigenes Handeln bewerten, nach Außen hin darstellen und wie wir mit uns selbst darüber sprechen. Er möchte, dass wir uns selbst wohlwollend und freundlich begegnen und das auch in unseren Gedanken zu uns selbst berücksichtigen. Kannst du das nachvollziehen? Für mich ist das ein sehr wichtiger Punkt: Wie spreche ich zu mir selbst? Bin ich freundlich zu mir selbst.

Der Wolf-Sprache 🐺 steht die Giraffen-Sprache 🦒 gegenüber. Rosenberg wählte die Giraffe als Symbol der Gewaltfreien Kommunikation, da Giraffen die größten Herzen von allen Landtieren haben und so für ihn verkörpern, wie wir miteinander kommunizieren können - mit dem Herzen.

In der Giraffen-Sprache spricht Rosenberg davon, jemanden nicht etwas beizubringen oder jemanden verändern zu wollen und es geht ihm und seiner Methode nicht darum zu gewinnen oder zu verlieren, sondern darum auszudrücken, wie es uns wirklich geht und was wir uns für uns und unser Zusammensein wünschen.

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Ich finde das hört sich sehr leicht an, doch im Alltag stoße auch ich ab und zu an meine Grenzen in der Giraffen-Sprache. Was ist z.B. wenn ich richtig gestresst bin? Komme ich dann noch in Kontakt mit meinen wahren Gefühlen und Bedürfnissen? Geht es mir da in Zeitknappheit und Trubel nicht eher darum, die Sachen zu erledigen, die auf meinem Zettel stehen, ohne über meine Gefühle nachzudenken. Oh ja! Was würde da Marshall Rosenberg sagen? Kommuniziere ich in dieser Zeit gewaltvoller als sonst? Oh ja! Das ist ein Beispiel, wo der Alltag die Theorie schlägt, finde ich. Manchmal ist es notwendig Dinge abzuarbeiten und auch nicht zu 100% gewaltfrei z.B. zu kommunizieren. Doch wichtig finde ich: Sei dir in diesem Moment bewusst, dass du gewaltvoll kommunizierst und überlege vielleicht nach dem Stress, wie du beim nächsten Mal deinen Stress minimieren kannst, um weniger gewaltvoll und mehr gewaltfrei mit dir selbst und deinem Umfeld zu kommunizieren. Ich mache eine Weiterbildung zur Stressmanagerin, weil ich für mich gemerkt habe, dass Stress und seine Folgen, sei es beruflich, persönlich oder in zwischenmenschlichen Beziehungen mich am weitesten von mir selbst und einer gewaltfreien Kommunikation wegführt. Stressbewältigung ist für mich eine wunderbare Prävention für Missverständnisse, Streits und Konflikte - sei es im privaten oder im beruflichen Kontext.

Wer ist Marshall B. Rosenberg?

Marshall B. Rosenberg wurde als jüdischer Junge 1934 in Ohio geboren und wuchs in Detroit auf. Er nahm bereits früh in seinem Leben Gewalt bei Rassenunruhen wahr. 1961 promovierte er an der Universität in Wisconsin in klinischer Psychologie. In den 60er Jahre erarbeitete er das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation. 1984 begründete er das Center for Nonviolent Communication (CNVC) in Texas. GFK wird heutzutage weltweit gelehrt. Rosenberg und sein Team begleiteten und begleiten immer noch verschiedene Friedensprozesse wie in Ruanda, Malaysia, Serbien, Nordirland und Palästina und Israel.

2006 erhielt Rosenberg den weltbekannten "Bridge of Peace Award". Rosenberg ist weiterhin auf der ganzen Welt aktiv und vermittelt erfolgreich in mehr als 60 Ländern Konfliktsituationen.

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Ich begegnete in meinem Sozialen Jahr 2007-2008 in Burundi, dort fand ebenso wie in Ruanda ein Völkermord in den Jahren 1972, 1988 und 1993 statt, wie politische und militärische Konflikte eine Gesellschaft zerreißen und Menschen voneinander entfernen können. Zu wissen, dass die Aufarbeitung der Folgen dieser Völkermorde unter dem Konzept der Gewaltfreien Kommunikation geschieht, gibt mir Hoffnung auf Versöhnung.

4 Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

Marshall Rosenberg und seine GFK ist geprägt von Erkenntnissen der humanistischen Psychologie seines Lehrer Carl Rogers, ebenso wie von den Erkenntnissen zur Gewaltfreiheit von Mahatma Gandhi.

Seine Forschungen beinhalteten vor allem die Themenschwerpunkte, wie wir Menschen denken, reden, kommunizieren um daraus dann ein Gegenmodell zur Gewalt zu entwerfen, das friedvoll ist.

Ein Modell, dass in dieser Arbeit entstanden ist, ist das Vier-Schritte-Modell.

Dieses Modell ist vielseitig anwendbar, sei es im Kontext Schule, im Privaten oder im beruflichen Kontext. Ansatzweise möchte ich dir die vier Schritte hier vorstellen.

1. Beobachten

Situation beobachten und sachlich schildern

Wir sind im Konflikt emotional betroffen, es fällt uns schwer eine Situation sachlich zu schildern, da unsere eigene Wahrnehmung subjektiv und verzerrt ist. Es gilt nun im ersten Schritt "Beobachten" darum, einen kühlen Kopf zu bewahren und zu beobachten, was in der Situation geschehen ist. Wertungen und Verallgemeinerungen sind hier fehl am Platze - diese erkennst du an Worten wie "alle", "nie" und "immer", sie schicken gleichzeitig eine Schuldzuweisung mit auf den Weg und dein Gegenüber könnte das Gefühl bekommen und das Bedürfnis entwickeln sich verteidigen zu müssen. Sachlich bleiben ist hierbei das A und O, nur dann kann die Situation abgekühlt anstelle von erhitzt oder verschärft werden.

2. Gefühl

Gehe in dich und schaue, welche Gefühle du hast und drücke sie aus!

Im zweiten Schritt ist es wichtig, nach der sachlichen Darstellung nun die Gefühle darzustellen, die ausgelöst worden sind. Marshall Rosenberg unterscheidet zwischen zwei Arten von Gefühlen: den primären und den Pseudo-Gefühlen.

Diese Unterscheidung ist wichtig, da, wenn wir uns unseren primären Gefühlen bewusst sind, wir sie so formulieren, dass der Empfänger sie einfacherer nachvollziehen kann. Hier sprechen wir in Ich-Botschaften. Beispiel für eine Ich-Botschaft: "Ich wünsche mir, mehr Zeit mit dir zu verbringen. " anstatt: "Arbeitest du immer noch? Oder wann hast du denn endlich mal Zeit für mich?⁠". Mit dieser Aussage kann die andere Person frei reagieren. Missverständnissen wird so sehr stark vorgebeugt.

3. Bedürfnis

Bedürfnis ausdrücken

Bedürfnisse stecken hinter unseren Gefühlen, sie sind von Grund auf berechtigt und positiv. Wenn sie nicht erfüllt werden, kommt es zu negativen Gefühlen, diese wiederum dann zu Konflikten führen können, wenn sie nicht mit den Bedürfnissen unserer anderen Mitmenschen zu vereinbaren sind.

Neun Grundbedürfnisse sind von Rosenberg erarbeitet worden:

  1. Körperliches Wohlbefinden
  2. Sicherheit
  3. Liebe
  4. Empathie/Einfühlung
  5. Kreativität
  6. Geborgenheit
  7. Spiel, Erholung
  8. Autonomie, Willensfreiheit
  9. Bedürfnis nach Sinn/einer Aufgabe

In Konflikten ist es wichtig, diese Bedürfnisse zu erkennen (und für mich als Mediatorin sie an die Oberfläche zu befördern). Unsere Ziele sowie unsere Anliegen runden das Bild ab, was wir unseren Mitmenschen zur Verfügung stellen. Darüber zu sprechen, ins Gespräch zu kommen bietet Klarheit und die Grundlage einer gemeinsamen Lösung für den Konflikt.

4. Bitte

Bitte formulieren

Der vierte Schritt beschreibt die Bitte, die wir an unseren Gegenüber richten mit dem Ziel, dass unser Bedürfnis erfüllt wird. Eine freundliche Formulierung ist entscheidend sowie, dass die Bitte nicht als Forderung formuliert ist. Die Bitte beinhaltet einen Wunsch zu einem konkreten Verhalten, dass das Gegenüber direkt ausführen kann, damit eine unmittelbare Verbesserung der Situation eintritt.

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Probiere diese Art der Kommunikation einmal im Alltag in einer nicht über Jahre eskalierten Situation aus. Was fällt dir auf? Was tut dir gut? Was fällt dir schwer? Schreibe mir deine Erfahrungen und Erkenntnisse.

Was hat GFK mit Kommunikation und Mediation zu tun?

Gewaltfreie Kommunikation begegnet uns bewusst und unbewusst alltäglich. In meiner Arbeit ist die bewusste Anwendung notwendig, um z.B. meinen Kunden ihre Bedürfnisse und Gefühle deutlich zu machen.

Im Verfahren der Mediation ist ein Einsatz vor allem in der Phase der Konflikterhellung (Phase III einer Mediation) hilfreich. Hier geht es um das Aussprechen der Gefühle, deren Bedürfnisse wir nicht erfüllt sehen. In der Mediation geht es nicht darum Schuldzuweisungen auszusprechen oder einen Angriff auf mein Gegenüber zu starten, vielmehr geht es darum, meine Bedürfnisse zu kommunizieren. Sprich bei mir selbst gewaltfrei anzufangen und die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation anzuwenden. Dabei ist die Gewaltfreie Kommunikation für uns als Mediatoren eine Möglichkeit, die Medianten "abzuholen". (Hier kannst du in einem Video von Marshall Rosenberg sehen, wie er es einmal in einem mediativen Gespräch angewandt hat und welches Ergebnis er erzielt hat.)

Wie genau ein Mediationsverfahren aussieht und wie der Prozess der Mediation funktioniert, kannst du in meinem Artikel "Mediation - eine andere Methode für Konfliktlösung" nachlesen.

Große Gemeinsamkeit zwischen Mediation und GFK ist, dass beide Prozesse ohne Gewinner und Verlierer auskommen - es geht um das einander zuhören und ehrlich mitteilen.

Grenzen und Kritik an dem Konzept

Wie bei fast jedem Konzept, gibt es auch an der Gewaltfreien Kommunikation Grenzen und Kritik. Es gibt viele verschiedene Kritikebenen auf die die Vertreter*innen der GFK reagierten und reagieren. Um dir ein umfassendes Bild zu bieten, möchte ich dir auch einiger dieser kritischen Stimmen präsentieren.

Allgemein ist zu sagen, dass das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation die Möglichkeit verschiedener Interpretationen bietet und dadurch auch unterschiedliche Anwendungen im Alltag hervorbringt.

Ich habe dir die mir am wichtigsten erscheinenden Kritiklinien herausgegriffen und werde diese kurz erläutern, ebenso gebe ich dir einen Eindruck der Reaktionen der Vertreter*innen der Gewaltfreien Kommunikation auf diese Kritiken.

Zu aller erst möchte ich dir aufzeigen, wo Marshall Rosenberg selbst Grenzen der Gewaltfreien Kommunikation sah und sieht. Rosenberg sagt deutlich, dass eine wichtige Grenze die "individuelle Entwicklung" des Anwenders sei, diese benötige Zeit und Energie. Er gibt an, dass bestimmte Lebensbereiche mit Angst und bestimmten Vorstellungen besetzt sind, wodurch ein offenes Ansprechen der Gefühle und Bedürfnisse sehr viel Mut koste. Die Kraft für die Überwindung aufzubringen liege in jedem Einzelnen und sei individuell. Ebenso benötige es Zeit den Prozess der Gewaltfreien Kommunikation zu durchlaufen, daher sei dafür Zeit, Bereitschaft und Mut, insbesondere in Machtsituationen notwendig. Dies sei nicht grundsätzlich von allen Beteiligten zu erwarten.

Eine erste Kritiklinie bezieht sich auf die Anwendung von GFK im beruflichen Kontext. Dort sei es schwierig die innere Haltung als Voraussetzung anzusehen bzw. würde sie öfter einmal fehlen und dadurch der Prozess nur gespielt werden und nicht ehrlich praktiziert werden. Der Wolf stecke also nur im Giraffenkostüm und verwandle sich nicht durch Eigeninitiative in eine Giraffe.

Die GFK entgegnete, dass die Entscheidungsschnelligkeit und die hierarchischen Entscheidungsprozesse der GFK gegenüberstehen. Daher hat sich in der Praxis bewährt, Moderationsmethoden mit der GFK zu mixen. Zu bedenken geben die Vertreter*innen der GFK bei einer solchen Nutzung, dass GFK hier mehr als Werkzeug verstanden werde, was grundsätzlich der Theorie von GFK widerspräche (s. nächster Absatz).

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Ob diese Kritik auch noch in weniger hierarchisch organisierten Strukturen in Unternehmen heute 2021 gedacht wird, ist noch zu erkunden bzw. würde mich sehr interessieren.

Eine weitere Kritiklinie beschreibt die GFK als zu formelhaft, die einfachen Beispiele seien zu steif, unspontan und leblos, so die Kritiker. Rosenberg entgegnete darauf, dass GFK weniger als Werkzeug zu verstehen sein, vielmehr als eine Art Philosophie, der eine innere Überzeugung vorausgehe, was Kommunikation sei und wie Konfliktprozesse abliefen. Wichtig hier in der Argumentation von Rosenberg: In Konflikte ginge es nicht darum, das durchzusetzen. was man durchsetzen will, sondern in Kontakt mit seinem Gegenüber eine Lösung zu finden, die beider Bedürfnisse widerspiegelt. Dies sei es, was den Konflikt entschärfe.

Die formelhaften Sprachbeispiele würden sich mit Übung und Anwendung von GFK in eine eigene Sprache verwandeln: dies würde im Prozess vom unbewussten Unwissen (Ich habe keine Ahnung, dass ich nicht gewaltfrei kommuniziere) bist hin zum unbewussten Wissen (Ich denke nicht mehr darüber nach, wie ich gewaltfrei kommuniziere) sich wandeln.

Schlussendlich möchte ich noch auf die Kritik an den Grundannahmen der GFK eingehen, die grundsätzlich in Frage stellt, dass sich Konflikte auflösen, wenn die dahinter liegenden Gefühle und Bedürfnisse bekannt seien.

Des Weiteren wird kritisiert, dass der Bedürfnisbegriff in diesem Zusammenhang von GFK sehr normativ geprägt sei. Weiter werden laut Kritikern Verantwortungslosigkeit, Skrupellosigkeit und Faulheit nicht ausreichend betrachtet, da diese positiv umformuliert werden würden.

Die GFK Vertreter*innen gingen davon aus, dass hinter jedem Menschen stehe, dass er oder sie bereit sei, etwas für den anderen Menschen zu tun, soweit bestimmte Bedingungen erfüllt seien.

Das positive Menschenbild, was dahinter steht, erstreckt sich also auch auf den Bedürfnisbegriff.

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Je mehr verschiedene Sichtweisen wir haben, umso detaillierter und facettenreicher können wir uns unser eigenes Bild erstellen, je facettenreicher unser eigenes Bild ist, umso weniger wird es erschüttert von andersartigen Bildern, denen wir begegnen, wir sind flexible unsere Bilder anzupassen und/oder zu verändern und zu ergänzen. Wir sind offener. Dies beugt Konflikten ebenfalls vor.

Gewaltfreie Kommunikation ist aus meiner Kommunikation und meiner Mediation nicht wegzudenken. Manchmal adaptiere ich Teile und lasse andere weg, wie ich Marshall Rosenberg in seinen Videos und seiner Fachliteratur wahrnehme, ist er offen, dass wir uns selbst seine Ideen und Konzepte zu eigen machen und kombinieren wie z.B. mit Moderationsmethoden. Wichtig bleibt die Gewaltfreie Kommunikation als Prozess und eine Art Philosophie anzusehen, die uns hilft, friedvoll mit uns selbst und unseren Mitmenschen zu kommunizieren, indem wir unsere wahren Gefühle und Bedürfnisse offenbaren und uns abwenden von Strategien und Positionen, die Schuldige und Verlierer benennen, hin zu einem gemeinsamen Wir, mit dem wir die gesamte Welt zu einem friedvolleren Ort mit weniger Gewalt machen können.